Als in den 80er Jahren die Jahreshauptversammlungen der Deutschen Evangelischen Allianz in der Siegener Hammerhütte stattfanden, war es Otto Schaude aus Reutlingen, einer der Pioniere christlicher Schulgründungen, der immer wieder auf die Notwendigkeit der Gründung von Freien christlichen Schulen hinwies. Reutlingen gehörte zu den drei ersten Freien christlichen Schulen in Deutschland. Es war die Zeit, in der sich die Auswirkungen der 68er Bewegung deutlich in den Schulbüchern und öffentlichen Schulen zeigten. Mitte der 80er Jahre hatte das dazu geführt, dass sich in Siegen eine kleine, in sich geschlossene Gruppe von Christen bemühte, abseits gesetzlicher Regeln eine private christliche Schule zu starten. Bei einer öffentlichen Vorstellung dieser Initiative im Mai 1989 bildete sich spontan eine Gruppe interessierter Eltern und Lehrer, die liebend gerne eine Schule auf biblischer Basis im Siegerland gesehen hätten, allerdings nicht in der hier vorgestellten Ausrichtung. Namen wurden ausgetauscht und bald traf man sich, um über der Gründung einer Schule auf biblischer Basis zu beten und zu beraten, in der sich das ganze christliche Gemeindespektrum des Siegerlandes widerspiegeln sollte.
Der Gründungsgedanke wurde ohne unser Wissen durch den damaligen Chefredakteur des Nachrichtenmagazins IDEA, Helmut Matthies, als kleine Meldung veröffentlicht und erschien kurz darauf in der Siegener Zeitung, als ob die Gründung einer christlichen Schule in freier Trägerschaft bereits beschlossene Sache sei. Nun gab es kein Zurück mehr. Es wurde zu einer Informationsveranstaltung nach Siegen-Weidenau in die Freie evangelische Gemeinde eingeladen. Der Gemeindesaal war übervoll. Dies bestärkte die Initiatoren weiterzumachen. Besonders ermutigend war der Scheck einer uns bis dahin unbekannten Frau über 5.000 DM, obwohl zu diesem Zeitpunkt weder eine Struktur noch ein klares Konzept vorlagen.
Das Allerwichtigste aber geschah für uns alle unsichtbar hinter den Kulissen: Mütter kamen zum Gebet zusammen und unser großer Gott hörte. Bereits im September 1989 konnte dann der Christliche Schulverein Siegen (CSV Siegen) und ein Förderkreis gegründet werden. Das war nur möglich, weil wir auf die Erfahrungen anderer christlicher Schulen zurückgreifen und ihre Hilfe in Anspruch nehmen konnten.
Damals gab es etwa 20 Freie christliche Schulen in Deutschland. Mittlerweile sind es über 200 geworden und jedes Jahr kommen weitere dazu.
Von Anfang an war es unser Anliegen, Mitstreiter aus allen Bereichen des Siegerländer Gemeindespektrums dabeizuhaben. Es war uns wichtig, dass wir nicht in eine Gemeindeschublade gesteckt werden würden. Bei der Namenswahl verzichteten wir deshalb bewusst auf den Begriff „evangelisch“, um eine Assoziation zu einer Gemeinderichtung auszuschließen. Unsere Grundlage sollte allein die Bibel, Gottes Wort, sein. Dafür bot sich das Glaubensbekenntnis der Deutschen Evangelischen Allianz von 1846 als allgemeine Bekenntnisbasis an.
Unser Fundament sollte Jesus Christus sein. Darum wählten wir als einen unserer Gründungsverse 1. Korinther 3,11, wo Paulus schreibt: „Einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, nämlich Jesus Christus“. Auf dieses tragbare Fundament wollten wir die neue Schule stellen.
Darüber hinaus war es auch unser Anliegen, ein Segen für die Region zu sein. Dazu gab uns der Vers aus Jeremia 29,7 „Suchet der Stadt Bestes!“ den Auftrag.
Anfang August 1990 konnte die Freie christliche Grundschule mit einer ersten Klasse mit 18 Schülerinnen und Schülern in einem Pavillon der Firma Gontermann und Peipers in Kaan-Marienborn starten.
Von einigen öffentlichen Schulen konnten wir ausrangierte, aber noch brauchbare Schulmöbel besorgen. Eltern packten bei der Einrichtung und Renovierung der Räume mit an. Die Genehmigung zur Aufnahme des Schulbetriebs erhielten wir gerade rechtzeitig vor Beginn des Schuljahres. Mit privatem VW-Bus und PKW übernahmen Mütter den Fahrdienst. In der Evangelischen Kirche Siegen Kaan-Marienborn eröffneten wir das Schuljahr in Anwesenheit von Vertretern aus Stadt und Landkreis mit einem Gottesdienst und stellten die Arbeit der Schule unter den Segen Gottes.
Im folgenden Jahr kam eine neue Klasse hinzu, im dritten Jahr sogar gleich zwei Klassen, so dass die Räumlichkeiten zu eng wurden. Wir konnten zusätzliche Räume in der damals neu umgebauten Hammerhütte anmieten, wobei von Anfang an deutlich war, dass uns das gerade ein Jahr weiterhelfen würde. Wir brauchten ein Gebäude, in dem die ganze Grundschule auch zweizügig unterkommen konnte. Nach vielen Überlegungen, Planungen, spannenden Verhandlungen und Gebet konnte der Förderkreis das Gebäude der ehemaligen Weißtalschule in Rudersdorf von der Gemeinde Wilnsdorf erwerben. Möglich wurde das durch gute und erfahrene Finanzberater und günstige Darlehen der Sparkasse Siegen.
In diesem Schulgebäude, welches modernisiert und kindgerecht umgestaltet wurde, hat unsere Grundschule bis heute ihre Heimat gefunden. Weil die Schüler aus dem ganzen Siegerland kamen, haben wir den sogenannten Schülerspezialverkehr mit eigens dafür gekauften oder geleasten Kleinbussen eingerichtet, wodurch die Schule mit dem markanten Logo „Haus-Kreuz-Baum“ überall im Siegerland bekannt wurde.
Im vierten Jahr stellte sich die Frage, ob wir nicht eine weiterführende Schule, eine Realschule, beginnen sollten. Zunächst führten diese Gedanken zu Vorbehalten. Einige befürchteten, dass unsere Einheit gefährdet würde aufgrund unterschiedlicher Gemeinde- und Bibelverständnisse bei Eltern, Förderern und Mitarbeitern. Doch wir einigten uns darauf, dass das Zentrum unserer Schulen Jesus Christus bleiben muss und dass wir alle unsere unterschiedlichen Erkenntnisse beiseitelegen würden, ohne jedoch Abstriche beim Kern der Botschaft zu machen. Eine Entscheidung, die sich bis heute bewährt hat.
Was nun folgte, ist schon aus der Gründungszeit des Schulvereins bekannt: beten, planen, diskutieren, überlegen, Anträge stellen und noch mehr beten. So konnten wir 1994 in einem noch freien Raum der Grundschule mit der ersten Realschulklasse beginnen. Der Unterricht wurde teilweise durch Lehrer der Grundschule, aber auch durch Realschullehrer abgedeckt, die zunächst stundenweise aus anderen Schulen anreisten und sogar das Unterrichtsmaterial wie Mikroskope für den Biologieunterricht oder eine kleine Physiksammlung in Kisten und Koffern mitbrachten.
Natürlich war uns von Anfang an klar, dass wir auch für die Realschule passende Räumlichkeiten brauchen. In Freudenberg-Niederndorf stand schon seit einigen Jahren eine ehemalige Hauptschule leer. Der damalige Ortsvorsteher, der offensichtlich die Entwicklung unserer Schulen durch die Lokalpresse verfolgt hatte, bot uns das Gebäude zur Miete an. 1995 zogen wir dort ein und konnten gleich zwei fünfte Klassen einschulen.
Gebäude und Grundstück hatten Potential für Erweiterung, die wegen der hohen Anmeldezahlen unbedingt erforderlich wurde. An- und umbauen kann man aber nur im Eigentum. Also kauften wir das Gebäude und planten schrittweise Erweiterungen, um immer nur den aktuellen Raumbedarf abzudecken. So vermieden wir unnötige Kosten durch Leerstand.
Nicht lange danach wurde uns bewusst, dass auch Bedarf für eine Hauptschule besteht, denn wir sahen einen Auftrag darin, auch für die Schüler mit eingeschränkter Hauptschulempfehlung oder mit Lern- oder Verhaltensproblematiken da zu sein, getreu unserem Motto: „Suchet der Stadt Bestes!"
So begann im Herbst 1996 der uns mittlerweile geläufige Ablauf: beten, planen und Schritte gehen. Allerdings gestaltete sich die Genehmigung der Hauptschule etwas schwieriger. Wir planten zunächst nur eine einzügige Schule in Verbindung mit der bestehenden Realschule. Das entsprach nicht der Norm und es kostete einiges Geschick, die Bezirksregierung von der Machbarkeit zu überzeugen. Dabei waren wir uns sicher, dass es nicht bei der Einzügigkeit bleiben würde. Mit der mündlichen Zusage für die Genehmigung und dem Vertrauen auf unseren Gott begannen wir mit dem Schuljahr 1997/98 mit einer Hauptschulklasse parallel zur Realschule. Ende November erhielten wir schließlich die vorläufige schriftliche Betriebserlaubnis, und zwar rückwirkend zum 1. August. Damit war die Finanzierung gesichert. Die folgenden 4 Jahre konnten wir das Gebäude sukzessive erweitern und eine Sporthalle errichten.
Während die Hauptschule trotz großer Nachfrage zunächst einzügig blieb, wagten wir es 2006, in der Realschule wegen der hohen Anmeldezahlen drei Eingangsklassen einzuschulen. Auch für die Grundschule in Rudersdorf erhielten wir sehr viele Anmeldungen. Deshalb entschieden wir uns auch hier, die Schule dreizügig zu betreiben und den zu diesem Zeitpunkt bereits seit einigen Jahren durchgeführten „gemeinsamen“ Unterricht – Stichwort Inklusion – auszubauen. Das war eine große Herausforderung.
Weil sich die Anfragen von Eltern für die Hauptschule häuften, standen wir vor der Entscheidung, entweder in Niederndorf eine weitere Baumaßnahme durchzuführen oder ein anderes geeignetes Gebäude zu suchen. 2009 fanden wir mit der ehemaligen Augärtenschule in Kaan-Marienborn, die bis dahin das Lehrerseminar für Referendare beherbergt hatte, das passende Objekt. Wir konnten das Gebäude erwerben und ein Jahr später nach aufwendigen Sanierungs- und Brandschutzmaßnahmen sowie notwendigen Um- und Anbauten und der Errichtung einer modernen Sporthalle in Betrieb nehmen.
Unsere Hauptschulabsolventen waren bei den heimischen Handwerks- und Industriebetrieben beliebte Azubis. Nicht wenige setzten ihre Schullaufbahn an örtlichen Gymnasien fort. Leider war die Hauptschule für die Politik ein Auslaufmodell und der Begriff „Hauptschüler“ negativ besetzt. So entschieden wir 2015, die Hauptschule auslaufen zu lassen und dafür die von der Politik favorisierte Sekundarschule als Ganztagsschule zu beginnen. Das bedeutete den Anbau einer Mensa und zusätzlicher Klassenräume. Noch vor dem endgültigen Aus der Hauptschule konnten wir ein an das Schulgelände in Kaan angrenzendes Grundstück erwerben und ein Kleinsportfeld in Betrieb nehmen. Im Jahr 2021 haben wir mit etwas Wehmut nach 24 Jahren unsere letzten beiden Hauptschulklassen verabschiedet.
Die Anmeldezahlen für die Grundschule nahmen weiter zu. Um weitere Schüler aufnehmen und veränderte Anforderungen umsetzen zu können, brauchten wir mehr Platz. Wir schauten uns deshalb nach einem zweiten Grundschulstandort um, den wir im Zentrum von Siegen gefunden haben. Seit dem Schuljahr 2021/22 betreiben wir deshalb zwei (jeweils zweizügige) Grundschulen an verschiedenen Standorten.
Ein großer Gewinn für Schulträger und Schulen ist der Austausch im „Verband evangelischer Bekenntnisschulen e.V.“ (VEBS) mit heute über 200 Schulen auf biblischer Basis.
Wir sind begeistert darüber, wie sich unsere Mitarbeiter, inzwischen sind es über 200, aus allen Gemeinderichtungen zusammengefunden haben und wie jeder sich dem Anliegen verpflichtet weiß, Kindern und Heranwachsenden neben einer guten Schulbildung Gottes Wort und christliche Werte zu vermitteln, die Bedeutung der Bibel für ihr tägliches Leben deutlich und ihnen Gott, als unseren Vater, lieb zu machen. Sie wollen ihnen den Weg zur Vergebung ihrer Schuld durch das Kreuz Jesu zeigen, damit sie zu einer persönlichen Beziehung zum Vater finden können. Wir sind kleine und große Schritte gegangen, haben Entscheidungen getroffen und haben Fehler gemacht, aber Gott hat es gut gemacht. Er hat unsere eingebrachten Gaben, unseren ausgestreuten Samen, selbst unser Unvermögen, genommen und hat etwas Gutes daraus gemacht. Und damit hat ER die Verantwortung übernommen; wir dürfen zwar mitarbeiten, aber das Ergebnis ist Gottes Sache. Was man heute mit dem Namen Freie christliche Schulen Siegen verbindet, ist rational kaum erklärbar. Es ist allein Gottes Werk, trotz aller unserer Unzulänglichkeit. Deshalb geben wir allein Gott die Ehre.
Jürgen Kleinloh, Mit-Schulgründer und langjähriger Vorstand, im Juni 2021